Schreiben heisst immer für jemanden schreiben. Selbst beim Tagebuch. Ja, genau. Wie man für ein Zielpublikum schreibt und ein paar Tipps für angehende Autorinnen und Autoren gibts hier.
«Ich schreibe für mich […]. Ich schreibe so, wie ich es selber gern lesen würde.» Diese Aussage habe ich vor einiger Zeit in einem Interview gelesen. Autor des Zitats: Der Schriftsteller Martin Suter. Die Behauptung ist mir in Erinnerung geblieben, weil ich Suter damals innerlich der Lüge bezichtigt habe. Nur für sich selbst schreiben und damit Erfolg haben? Die Idee eines Träumers. Es konnte sich nur um eine bewusste Lüge handeln, sofern Suter sich nicht selbst belog. Die dritte Option würde bedeuten, dass eine derartige Aussage tatsächlich wahr sein konnte. In diesem Fall wäre das, was er gerne lesen würde, wirklich genau das, was die meisten Menschen gerne lesen. Falls dies zutreffen sollte, handelte es sich bei Suters Position um eine wahrhaft privilegierte, so mein Fazit.
Message in a Bottle
Der altbekannten Frage nach der Beziehung zwischen Autor und Leser widmet sich die Erzähltheorie, bzw. die Erzählforschung. So erinnert Suters Aussage an Umberto Ecos anschauliches Beispiel, das jenes Problem demonstriert: Was wäre, so fragt Eco in «Zwischen Autor und Text», wenn ich ein Gedicht schreiben würde, dieses in eine Flasche stecken und ins Meer werfen würde? Und die Flasche irgendwo stranden und von einem Ahnungslosen gefunden würde? Wenn dieser mein Gedicht lesen würde, bestünde zwischen uns beiden – dem Verfasser und dem Leser – keinerlei Verbindung. In dieser Konstellation wäre es für den Autor tatsächlich unmöglich gewesen, für den potenziellen Leser zu schreiben, da er diesen zum Zeitpunkt der Niederschrift gar nicht gekannt hatte.
Alles Fiktion
Doch die ganze Sache ist weitaus komplizierter, als es den Anschein hat. Es gibt nämlich noch so etwas wie einen imaginierten Autor (die Person, die wir Leser uns als Verfasser des Buches vorstellen), und einen imaginierten Leser (ein fiktiver Konsument des Textes, den die Verfasserin nicht kennt). In der Konsequenz hiesse dies für Suter: Der Autor Suter schreibt für den zukünftigen Leser Suter. Wie beim Tagebuchschreiben, bei dem ich zwar nicht für einen anderen Leser schreibe, aber immer für mein zukünftiges Leser-Ich. Denn: Wenn ich für niemanden schreiben würde, könnte ich das Aufgeschriebene auch sogleich wieder vernichten. Als Schreibende bin ich also immer auch Lesende, denn das Gegenteil würde bedeuten, dass wir als Schreibende das von uns Verfasste nicht mehr lesen würden.
Übrigens ist es auch möglich, das eigene Buch irgendwann gar nicht mehr zu mögen. Vielleicht, weil man darüber hinausgewachsen ist. Oder weil man es im Zuge der Veröffentlichung gefühlt tausendmal mit kritischem, korrigierendem Blick durchlesen musste.
Give the People what they want.
In Suters Fall gehört also der Leser Suter glücklicherweise selbst zur Zielgruppe derjenigen, die solche Sachen, die der Autor Suter schreibt, gerne lesen. Doch diese Art von künstlerischer Tätigkeit beherbergt ein fundamentales Problem: Das Werk kann beim nächsten Mal nur in leichter Variation reproduziert werden, denn ein zu starkes Abweichen vom «Erfolgskonzept» bedeutet zweifellos enttäuschte Leser. Wie viele Künstler hat es in der Geschichte der Kunst gegeben, die etwas anderes gewagt haben, und dadurch ihre Bewunderer (oder Konsumenten) verloren haben? Der Leser erwartet gewisse Dinge, und die gilt es zu bedienen. So verkauft sich ein Buch. So schreibt man kommerziell.
Quo vadis, Autor?
Wenn man der künstlerischen Integrität allerdings eine höhere Priorität als den kommerziellen Zielen zuspricht, dann muss man sich damit begnügen, dass das Buch möglicherweise von niemandem gelesen wird. Egal, wie gut es ist. Dann stellt sich aber die Frage: Wenn es niemand liest, wozu das Ganze? Die Vereinbarkeit von künstlerischer Integrität und kommerziellem Erfolg ist daher eine Illusion. Viele junge Autor/-innen scheitern genau an diesem Irrglauben. Sie bedenken nicht, dass Verlage ein Interesse an Verkäufen haben und genau nach diesem Kriterium die Manuskripte für die Inverlagnahme aussuchen. Wer gelesen werden möchte, muss schreiben, was gerne von der Masse gelesen wird. Und das ist nicht immer das, was man selbst lesen würde.
Kein Plan, kein Buch.
Sie möchten ein Buch schreiben und publizieren? Dann brauchen Sie nicht nur Talent, Durchhaltevermögen und ein bisschen Glück, sondern auch die richtige Strategie. Wer gerade darüber nachdenkt, ein Buchprojekt zu starten, dem rate ich folgendes:
Erstellen Sie ein Konzept, bevor Sie mit dem Schreiben beginnen. Bedenken Sie, dass Sie sehr viel Zeit in dieses Projekt investieren werden. Deshalb sollte Ihr Konzept nicht nur den eigentlichen Inhalt des Buches beinhalten, sondern auch Antworten auf folgende Fragen: Wer ist Ihr potenzieller Leser, Ihre potenzielle Leserin? Wo lebt sie, welchen Bildungsstand hat er? In welchem geografischen Raum könnte Ihr Buch verkauft werden? Wie können Sie selbst für das Buch werben?
Berücksichtigen Sie den Bezug zur Realität des Verlags, bzw. der Verlage, bei denen eine Publikation denkbar ist: Eine klare Genre-Zuordnung oder ein Bezug zur lokalen Verankerung des Verlags sind empfehlenswert.
Machen Sie aus der Manuskripteinreichung eine professionelle Bewerbung: Zeigen Sie, was Sie bisher erreicht haben und was Ihr Buch so besonders macht. Die Geschichte hat Serienpotenzial? Unbedingt erwähnen!
Liefern Sie nur sauber redigierte, orthografisch korrekte Manuskripte ab. Fehler im Text lenken von der Qualität des Inhalts ab. Ausserdem minimiert sich der Aufwand des Verlags durch die bereits geleistete Vorarbeit im Bereich Lektorat / Korrektorat / Redaktion.
Sie haben bis hierhin gelesen? Dann arbeiten Sie möglicherweise gerade an einem Buchprojekt. Erzählen Sie mir davon!